Funktionalität steht an oberster Stelle

Ich entsinne mich: Früher – das liegt mehr als 35 Jahre zurück – waren Kinderbrillen zwar in vielen Grössen erhältlich, aber sie waren vor allem eins: hässlich und klobig. Im Vergleich dazu könnte man meinen, heutzutage sei alles viel besser, moderner, leichter und auch bunter. Auch die Brillen. Allerdings trügt der Schein etwas.

Von Arnd Graf-Beilfuss

Ein Junge mit Brille vor einem Handballtor in einer Sporthalle.

Eine Sportbrille kann – bei intensivem Training – zum Einsatz kommen.
Bild: zVg

Trotz aller Buntheit und trotz neuer Materialien sehen wir immer wieder Kinder mit rutschenden, drückenden oder überhaupt Brillen, die aus irgendeinem anderen Grund ungeeignet sind und nur widerwillig getragen werden. Um solche Erlebnisse zu vermeiden, ist die Wahl der Fassung von entscheidender Bedeutung. Häufig wirken Brillenfassungen für Kinder wie jene für Erwachsene, nur proportional verkleinert. Es wird nicht bedacht, dass kindliche Nasenbeine noch weicher und flacher sind als jene der Erwachsenen.

Obwohl gelegentlich der Eindruck entsteht und es unwahrscheinlich klingen mag: Kinder stehen dem Tragen einer Brille nur selten ablehnend gegenüber. Allerdings sollte die Brille bequem sein und einen konkreten Nutzen für sie haben. Darüber hinaus ist natürlich auch die Grundhaltung der Eltern ein wichtiger und nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es um die Akzeptanz einer Kinderbrille geht.

Für einen erfolgreichen Einsatz einer Brille gelten ganz allgemein einige grundsätzliche Anforderungen – unabhängig vom Alter des betroffenen Kindes:

Wahlfreiheit

Neben brillenspezifischen Aspekten hat sich meist als vorteilhaft erwiesen, wenn die Kinder – im Rahmen der Empfehlungen und Anforderungen – ihre Brille selbst aussuchen dürfen.

Grösse

Kinder sollten nicht erst in die Brille hineinwachsen müssen! Zwar sind die wahrscheinlich ökonomisch motivierten Überlegungen der Eltern verständlich. Doch es ist meist unrealistisch, eine Kinderbrille für den mehrjährigen Gebrauch anzuschaffen. Der Spieldrang der Kinder und ein manchmal nicht ganz sachgemässes Handling beschleunigen die „Materialermüdung“. Zudem setzen unvorhersehbare Wachstumsschübe der Tragbarkeit ein jähes Ende. Einige Augenoptiker sind sich dieser höheren „Austauschrate“ durch Wachstum, Korrektionsänderungen, Verlust oder auch Totalschaden bewusst und bieten daher Kinderbrillen kostengünstiger an.

Sitz und anatomische Anpassung

Beide Kriterien sind besonders wichtig und verdienen ein besonderes Augenmerk. Eine anatomisch ungeeignete Brille wird fast zwangsläufig nicht zum Ziel führen, denn auch für eine noch so leichte Brille gelten die Gesetze der Physik. Für den bestmöglichen Sitz der Brille sollte die Nasenauflagefläche möglichst gross sein, damit sich das Gewicht optimal verteilt. Bei Kunststoff-Fassungen sollte der gesamte Stegbereich gleichmässig auf dem Nasenbein aufliegen, da der Nasenrücken sonst zur perfekten Rutschbahn wird. Bei einer Auflagefläche, die von Anfang an ungünstig ist, sind später höchstens noch Nachbesserungen möglich. Die Aussage zur Druckverteilung bei Kunststoff-Fassungen gilt natürlich auch für jene aus Metall mit separaten Stegstützen.

Materialien

Grundsätzlich werden Kunststoff- und Metallfassungen angeboten. Im Kunststoffbereich kommt eine Vielzahl von Materialien mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften zum Einsatz. Einige sind beispielsweise extrem zäh und robust und daher auch für mehrfachbehinderte Kinder und Erwachsene sehr gut geeignet. Aufgrund der Materialeigenschaften kommen diese auch ganz ohne Scharniere und Schrauben aus. Dadurch wird nicht nur die latente Verlustgefahr der beweglichen Teile vermieden, sondern vor allem auch die Klemm- und Verletzungsgefahr umgangen.

Metallfassungen sind zwar nicht grundsätzlich ungeeignet, jedoch haben diese einen entscheidenden Nachteil: Aufgrund der Herstellung aus einer Vielzahl von Einzelteilen, die zudem alle durch irgendeine Art von Verlöten oder Verschweissung miteinander verbunden sind, besteht hier immer die Gefahr des Brechens an einer der vielen Lötstellen. Aber auch die anderen Teile sind eine potentielle Quelle für nachhaltiges Verbiegen. Das Material wird an den Lötstellen zwangsläufig etwas weicher und damit anfälliger. Bei extrem stark strapazierten Brillen setzt die Materialermüdung der Fassung irgendwann ein Ende….

Für beide Gruppen gilt: Nur besonders widerstandsfähige und antiallergische Materialien
oder Legierungen sind für Kinderbrillenfassungen geeignet.

Blendschutz- und Filterbrillen

Dass Kinder ganz besonders auf einen ausreichenden UV-Schutz angewiesen sind, ist seit langem bekannt. Die Anforderungen an die Brillenfassungen sind einfach formuliert: Neben den bereits beschriebenen anatomischen Kriterien sollte die Fassung vor seitlichem Lichteinfall sowie von oben schützen. Selbstverständlich muss das verwendete Material hautfreundlich und die Brille anatomisch gut anpassbar sein. Sind zudem Kantenfilter oder auch andere spezielle Blendschutzgläser erforderlich, sollte sich die Brillenfassung für den Austausch gegen andere Gläser eignen.

Sportbrillen

Von zweckentsprechend gestalteten Kinderbrillen geht grundsätzlich kein Verletzungsrisiko beim Sport aus. Auch die Sportart ist hier unerheblich. Zweckentsprechend bedeutet, dass gepolsterte Auflagen helfen, Druckstellen zu vermeiden, Sportbänder anstelle oder als Ergänzung der normalen Bügel zur Anwendung kommen und die Form der Brille die „Rundumsicht“ zulässt und einen optimalen Blendschutz gewährleistet. Daher schützt eine „richtige“ Sportbrille erheblich besser vor Verletzungen, statt diese zu verursachen. Wenn Kinder eine Sportart sehr intensiv betreiben, sollten sie allerdings eine geeignete und adäquate Sportbrille verwenden. Dies gilt nicht nur für sehbehinderte Kinder.

Es ist nicht immer einfach, dem verlockenden Angebot zu widerstehen und irgendeine Fassung auszuwählen, weil diese „dem Kind doch so gut steht“. Gerade bei Kinderbrillen, die spezifische Aufgaben erfüllen müssen, steht die Funktionalität an erster Stelle. Da können die beratenden augenoptischen Fachpersonen ihre Fachkompetenz demonstrieren.