Ein Kooperationsprojekt zwischen der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH) und des Sonnenberg Kompetenzzentrums Sehen, Verhalten, Sprechen verfolgte das Ziel, taktile 3D-gedruckte Symbole zur Kommunikationsförderung zu adaptieren und praktisch mit Kindern und Jugendlichen aus dem Bereich Sehen Plus zu erproben.

Eine erwachsene Hand hält ein rundes Objekt in grüner Farbe in der Hand. Das Objekt ist mit einer genoppten Textur umrahmt, und das Wort "nochmals" ist auf dem Kopf zu sehen. Eine Kinderhand berührt das Objekt.
Das Wort «nochmal» als 3D-gedrucktes Symbol: runde Form, genoppte Textur und grüne Farbe. Bild: Meier-Rossi Fotografie

Von Fabian Winter, Melanie Willke und Franziska Elmer; HfH und Sonnenberg

Kommunikation ist essenziell, um Kontakte zu knüpfen und Informationen auszutauschen. Für Menschen mit Mehrfachbeeinträchtigungen stehen neben den bekannten Kommunikationsformen und -techniken wie Gebärdensprache und Schwerpunkt Brailleschrift auch grafische und taktile Systeme zur Verfügung. Noch vergleichsweise neu ist der Einsatz von 3D-gedruckten Symbolen.
Im Rahmen des «Project Core», einer Initiative des Center for Literacy and Disability Studies in den USA, wurde eine Sammlung von 3D-gedruckten Symbolen zur Kommunikationsförderung von Kindern mit Blindheit und Sehbeeinträchtigung entwickelt (CLDS, 2020). Ein Einsatz der taktilen Symbole aus dem Project Core im deutschsprachigen Raum oder eine Eins-zu-eins-Übersetzung ist jedoch nicht möglich. Der Wortschatz, der mit den Symbolen angeboten wird, orientiert sich an den am häufigsten gesprochenen Wörtern im Englischen (Banajee et al., 2003), die nicht den häufigsten Wörtern im Deutschen entsprechen (Boenisch & Sachse, 2021). Im November 2023 startete deshalb ein gemeinsames Team der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH) und des Sonnenberg Kompetenzzentrums Sehen, Verhalten, Sprechen, um die Symbole zu adaptieren und praktisch zu erproben. Mithilfe eines Design-Thinking-Ansatzes, bei dem die Bedürfnisse einer Gruppe von Nutzerinnen und Nutzern in den Mittelpunkt gestellt werden (Schallmo 2018), sollte folgende Frage beantwortet werden: Wie können die 3D-gedruckten Symbole aus dem «Project Core» für Kinder und Jugendliche mit Mehrfachbeeinträchtigung und Sehbeeinträchtigung sinnvoll weiterentwickelt werden?
Das interdisziplinäre Team umfasste über 10 Personen aus den Bereichen Schulischer Heilpädagogik, Heilpädagogischer Früherziehung, Reha und Therapie sowie Hochschulwesen. Bei mehreren Treffen im Sonnenberg wurden die Bedürfnisse potenzieller Nutzerinnen und Nutzer protokolliert, Herausforderungen im Umgang mit den Symbolen erfasst und konkrete Verbesserungsvorschläge für die Symbole gesammelt. Für die Prototypen wurden die Wörter «selber», «auch», «fertig», «nochmal» und «helfen» aus dem Deutschen Kernvokabular ausgewählt. Die Wörter zeichnen sich dadurch aus, dass mit ihnen eine hohe kommunikative Wirksamkeit erreicht werden kann. Die Nutzenden erleben, dass sie Einfluss auf ihr Umfeld nehmen können. Die Auswahl wurde bewusst auf fünf Wörter begrenzt, weil davon ausgegangen wurde, dass die Einführung einzelner Wörter bereits mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen würde.
Für die Symbole wurden die Grundformen Quader, Dreieck, Kreis, Herz und Hexagon aus dem Project Core beibehalten. Dank der reduzierten Wortauswahl konnte jeder Form ein Wort zugeordnet werden. Als weiteres taktiles Erkennungsmerkmal kamen fünf Texturen zum Einsatz, welche die Symbole umrahmen. Bei der Auswahl wurde auf gute Unterscheidbarkeit geachtet. Dafür wurden mehrere Texturen gedruckt und miteinander verglichen. Schliesslich wurden glatte, genoppte, geriffelte, linierte und gepunktete Texturen ausgewählt. Die Symbole können auch visuell anhand der Farben Weiss, Gelb, Orange, Grün und Magenta unterschieden werden. Um den Kontrast zu verbessern, wurden die Symbole zusätzlich mit einem schwarzen Rand versehen. Im Gegensatz zum Modell aus dem Project Core wurde die Oberfläche der Symbole vereinfacht, um mehr Platz für die Beschriftung zu gewinnen. Auf der Vorderseite ist diese in Braille- und auf der Rückseite in Schwarzschrift angebracht. Ein Loch am Rand der Symbole dient der Befestigung an einem Gürtel oder Band. So können die Symbole körpernah transportiert werden und stehen in vielen Kommunikationssituationen zur Verfügung. Die Symbole lassen sich ausserdem auf einer Kommunikationstafel mit Klett oder Magneten anbringen. Ein Vorteil der Symbole ist, dass sie auch für Kommunikationspartner verständlich sind, die keine engen Bezugspersonen sind.

Die fünf adaptierten Symbole sind:
– auch (Hexagon, gepunktet, gelb)
– helfen (Quadrat, geriffelt, magenta)
– selber (Herz, liniert, weiss)
– nochmal (rund, genoppt, grün)
– fertig (dreieckig, glatt, orange)

Innerhalb eines Monats wurden die ersten Prototypen an der HfH Zürich gedruckt und in mehrfacher Ausführung an den Sonnenberg geschickt. Vor Ort wurden die Symbole vom Team der Unterstützten Kommunikation sowie weiteren Fachund Bezugspersonen mit einer Gruppe von vier Schülerinnen und Schülern über einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten erprobt. Um die praktischen Erfahrungen festzuhalten, kamen Protokollbögen zum Einsatz. In den meisten Fällen konnten die Symbole «nochmal» und «fertig» erfolgreich eingeführt werden. Einsatzmöglichkeiten ergaben sich vor allem in Essens- und Spielsituationen. Beim gemeinsamen Ballspiel wurde beispielsweise nach einer kurzen Zeit das Symbol für «nochmal» angeboten und die Spielsequenz wiederholt. Nach mehrmaliger Wiederholung wurde die Situation schliesslich mit dem Symbol «fertig» beendet.
In den ersten Erprobungen zeigte sich, dass zahlreiche Situationen und Wiederholungen nötig sind, bis die Symbole von den Kindern und Jugendlichen verwendet werden können. Im kurzen Erprobungszeitraum konnte zwar bei zwei von vier Kindern beobachtet werden, dass sie die Symbole situativ korrekt einsetzten. Ein routinierter Gebrauch hat sich daraus allerdings nicht ergeben, auch wenn dies möglich erscheint. Viele der Kinder nutzten die Symbole als Ergänzung zu Kommunikationsformen wie körpereigenen Gebärden, Piktogrammen oder Lautäusserungen. Die praktische Erprobung lieferte die erhoffte Bestätigung: Die umgesetzten Vereinfachungen und taktilen Qualitäten wurden von den beteiligten Fachpersonen als Verbesserungen wahrgenommen. Zukünftige Erprobungen müssen noch klären, welche Zielgruppe besonders von den Symbolen profitieren kann und welche kognitiven, motorischen und haptischen Voraussetzungen für einen Gebrauch gegeben sein sollten.
Es lässt sich resümieren, dass die Symbole das Repertoire der Unterstützten Kommunikation erweitern, aber keine etablierte Kommunikationsform ersetzen. Die fünf Prototypen wurden auf der Website www.tactiles.eu zum kostenlosen Download und 3D-Druck veröffentlicht.

Literatur:
Banajee, M., DiCarlo, C., & Stricklin, S. (2003). Core vocabulary determination for toddlers. Augmentative and Alternative Communication, 19, 67-73.

Boenisch, J. & Sachse, S.K. (2021). Kernvokabular – Bedeutung für den Sprachgebrauch. In J. Boenisch & S.K. Sachse (Hrsg.), Kompendium Unterstützte Kommunikation (S. 108-116). Stuttgart: Kohlhammer.

CLDS – Center for Literacy and Disability Studies (2020). Universal Core Vocabulary – 3D Symbol Format. http://www.project-core.com/3d-symbols/

Schallmo, D. R. A. (2018). Jetzt Design Thinking anwenden. Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22077-8