ein Erfahrungsbericht von Lisa Haberkorn


Es war im Sommer 2011, als es passierte. Ich war damals 21 Jahre alt. Eine schwere epileptische Anfallserie führte zu einem Wasserödem in meinem Gehirn, das auf meinen Sehnerv drückte. Plötzlich war ich blind – ein riesengrosser Schock!

Bis dahin hatte ich nie Probleme mit meinen Augen, im Gegenteil, ich habe sogar sehr gut gesehen. Und dann – von heute auf morgen plötzlich einfach nichts mehr. Glücklicherweise war ich nur einen Tag lang blind. Stück für Stück verbesserte sich dann mein Sehvermögen.

Zu Beginn wusste ich nicht, was ich habe. Die Ärzte stellten lediglich fest, dass ich schlecht sah. Das war eine schwierige Situation – nicht zu wissen, was ich habe, nicht zu wissen, ob es besser wird oder nicht. Für weitere Abklärungen wurde ich dann an Augenspezialisten überwiesen, die nach verschiedenen Tests die Diagnose stellten: Cerebral Visual Impairment (CVI).

Das Ödem hat sich durch eine Medikamentenumstellung zurückgebildet, der Sehnerv ist seither aber beschädigt. Und auch mein Gedächtnis hat sich verschlechtert. Ich hatte zu Beginn vor allem Schwierigkeiten mit der Erkennung von Formen und Objekten. Auch bereitete mir z.B. das Lesen von Handschriften oder das Erkennen einer Mimik grosse Mühe.

Im Laufe des ersten Jahres hat sich meine Sehschärfe dann schrittweise verbessert. Seit drei Jahren ist sie nun aber konstant geblieben: Heute sehe ich auf dem einen Auge 0.4 und auf dem anderen noch 0.25. Die Ärzte können mir nicht sagen, ob es besser wird oder ob es für immer so bleibt. Ich selbst glaube nicht mehr daran, dass ich eines Tages wieder vollständig sehen kann.

Menschen in meinem Umfeld sind jeweils sehr erstaunt darüber, wie ich mit meiner Sehschwäche umgehe und mich im Alltag zu Recht finde. Was mir grosse Mühe bereitet, sind z.B. Anzeigetafeln an Bahnhöfen. Auch das Lesen von Uhren und Zahlen fällt mir schwer – wie Telefonnummern. Da passiert es schnell, dass ich eine Zahl vertausche. Kleine Schriften kann ich zwar lesen, aber nach einer gewissen Zeit sind meine Augen derart ermüdet, dass ich die Schrift nicht mehr sehe. Kürzlich habe ich die E-Books entdeckt. Dort kann ich die Schrift stark vergrössern, ein schönes Gefühl – endlich wieder Bücher lesen!

Die grössten Herausforderungen stellten sich mir vor allem im beruflichen Umfeld. Da sich auch mein Gedächtnis verschlechterte, musste ich meine Ausbildung zur Bürokauffrau abbrechen und auf Bürokraft umschulen. Kein leichter Schritt für mich. Diese Ausbildung habe ich im vergangenen Jahr erfolgreich abgeschlossen – eine Arbeitsstelle blieb bisher leider aus. In meinem Beruf wird ausschliesslich mit dem Computer gearbeitet – das hiess für mich – kleine Schriften, grosse Anstrengung. Von meinen Pädagogen erhielt ich viele gute Tipps, wie ich am Arbeitsplatz am besten mit meiner Beeinträchtigung umgehen kann: z.B. mittels einer Vergrößerungssoftware, der farblichen Anpassung des Bildschirms, einer Sprachausgabe, Tastaturtrainings uvm. So kann ich heute sehr selbständig arbeiten und den Arbeitsalltag gut meistern.

Zu Beginn ist es schwer, mit dieser Diagnose umzugehen, mit all den Rückschlägen. Dinge, die einst einfach und selbstverständlich waren, sind es plötzlich nicht mehr. Damit muss man leben und sich auch im Kopf darauf einstellen, dass es nun so ist. Man muss lernen, Hilfe anzunehmen. Und vor allem: Nie den Mut verlieren! Die Diagnose CVI beeinträchtigt mich in meinem Leben nicht mehr so stark – ich habe sehr gut gelernt, damit umzugehen. Und mir meine Tricks angeeignet, wie ich mich am besten im Alltag zu Recht finde.