Nachgefragt 1/2020
Mit MyWay unterwegs
Um sich in einer unbekannten Umgebung zurecht zu finden, benötigen sehbehinderte und blinde Menschen Unterstützung von Hilfsmitteln. Ein solches Hilfsmittel können Navigations-Apps sein. Ihr Gebrauch muss wie die Anwendung des weissen Stocks oder anderer Hilfsmittel trainiert werden. Urs Kaiser ist blind und nutzt seit acht Jahren unter anderem die App myway Classic, welche vom Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) explizit für den Gebrauch durch sehbehinderte und blinde Menschen erstellt wurde. Urs Kaiser ist ein passionierter Wanderer. Jede Woche macht er eine Tour mit einem nahezu blinden Kollegen und nutzt dabei vorzugsweise die App MyWay. „Aber auch in der Stadt, um beispielsweise den Weg zum Zahnarzt oder in die Physiotherapie zu finden“, gebrauche ich MyWay.
Urs Kaiser beschreibt zwei grosse Vorzüge, welche die App seiner Meinung nach anderen gegenüber einmalig macht: „Man kann eigene Routen erstellen und die einzelnen Routenpunkte mit Informationen versehen, welche für die Orientierung und die Navigation für uns blinde Menschen speziell hilfreich sind. Ich kann zum Beispiel eine Route für meinen Waldspaziergang erstellen und auf dieser Route alle Punkte markieren, die für mich wichtig sind. Zum Beispiel kann ich Beschreibungen anfügen, wie „bei dieser Weggabelung rechts halten“ oder „hier ist auf der linken Seite eine Sitzbank mit Robidog“ oder „Vorsicht, es kommen nun einige Stufen“,“ erklärt er. Diese Informationen werden von der App dann angesagt, wenn er sich auf seinem Waldspaziergang der betreffenden Position nähert. „Solche auf unsere spezifischen Bedürfnisse ausgerichteten Informationen erleichtern unsere Selbständigkeit in sehr hohem Masse, können wir uns doch nicht oder nur sehr eingeschränkt mit unseren Augen orientieren“, erläutert Urs Kaiser.
MyWay informiere zudem kontinuierlich über die einzuschlagende Richtung. „Bei üblichen Navi-Apps beschränkt sich die Navigationsanweisung nicht selten auf Hinweise wie „in 100 m an der Kreuzung rechts abbiegen“ oder „Folge dem Weg 1,2 km“. Und daneben ist Schweigen. Mit MyWay können wir auf unserer Route zu jeder Zeit und von jeder Position aus die einzuschlagende Richtung erkunden. Wir brauchen dazu nur unser iPhone aus der Tasche zu nehmen und horizontal auszurichten. Sobald das Gerät in die Richtung unseres nächsten Routenpunktes zeigt, ertönt ein Tonsignal und das Gerät beginnt zu vibrieren. Sogar wenn das iPhone in unserer Jackentasche steckt und der Bildschirm gesperrt ist, informiert uns MyWay in einstellbaren Intervallen über die Distanz und die Richtung zum nächsten Routenpunkt. Das ist ein sehr grosser Vorteil von MyWay gegenüber den andern Navi-Apps“, sagt Urs Kaiser. Myway kann man auch im Ausland nutzen. Urs Kaiser nutzte sie zum Beispiel erfolgreich auf Reisen nach Berlin oder Paris um dort jeweils den Weg zur nächsten Metrostation zu finden.
Die Fachstelle „Technologie und Innovation“ des SBV ist zurzeit daran, die App vollständig zu überarbeiten. Sie soll benutzerfreundlicher gestaltet werden und vermehrt noch den Bedürfnissen der sehbehinderten Personen, die sich trotz ihrer Seheinschränkung noch vorzugsweise visuell auf dem Bildschirm orientieren, Rechnung tragen.
Das Gespräch mit Urs Kaiser, Gründer der Apfelschule, führte Nina Hug.