Ich hatte bereits bei meiner Geburt ein Glaucom. Es ist möglich, dass es erblich bedingt ist – eines meiner drei Geschwister ist ebenfalls blind – aber genau weiss ich nicht, wo in unserer Familie diese Krankheit schon vorkam. Man merkte schon rasch, dass der Augendruck sehr hoch war, und Kopfschmerzen waren bei mir wohl immer wieder ein Thema. Als ich etwas über drei Jahre alt war, hiess es, man müsse operieren und die Tränenkanäle durchgängig machen, damit die Flüssigkeit im Auge abfliessen könne. Nach der Operation – so wurde mir erzählt – muss ich mich wohl an den Wänden des Krankenhausflurs festgehalten und die Augen zugehalten haben. Eine Abklärung, auf die meine Eltern bestanden, ergab: Die Operation bei beiden Augen war misslungen.

Meine Sehfähigkeit ging immer stärker zurück, bis ich mit ca. 13 Jahren praktisch erblindete. Lange konnte ich noch Licht erkennen. Jeder Lichtstrahl war ein Highlight: Scheinwerferblitze bei Autos, die Zündkerzen vom Ersten August oder ein leuchtender Kreisel auf dem Boden in meinem Elternhaus – daran erinnere ich mich noch sehr gut.

Meine Eltern hatten einen gesunden Menschenverstand: Einerseits schonten sie mich nicht über Mass – so nahm uns meine Mutter immer mit auf Dorffeste oder zu Basaren. Andererseits holten sie sich schon früh Unterstützung durch eine Sozialarbeiterin. Schon früh konnte ich Hilfsmittel bestellen und entsprechend üben.

Heute bin ich vollblind, arbeite als medizinische Masseurin und habe meine eigene Praxis. Eingeschränkt fühle ich mich eigentlich nicht. Ich lese Punktschriftbücher, bin aber auch in Sachen Technik gut ausgerüstet, höre Radiosendungen mit dem iPhone oder Bücher mit dem Milestone. Aus kosmetischen Gründen trage ich zwei halbe Glasaugen, die ich nachts herausnehme. Schmerzen habe ich glücklicherweise keine. Aber zu Augenärzten gehe ich auch nicht mehr.

 

Andrea-Maja Burri

Aufzeichnung: Ann-Katrin Gässlein