Über den Umgang mit hörsehbehinderten Personen mit Demenzerkrankung

Wenn Menschen in Alterseinrichtungen in ihren Fähigkeiten nachlassen, kann dies viele Ursachen haben. Möglich sind Demenzerkrankungen oder Beeinträchtigungen des Sehens und Hörens. Für die betroffenen Menschen, aber auch für die behandelnden Fachpersonen ist die Kombination beider Krankheitsbilder ein wichtiges Lernfeld.

von Ann-Katrin Gässlein

Daisy / Web: Von oben ist eine Bank zu sehen, auf der ein alter Mann und zwei alte Frauen sitzen. Der Mann ist über eine Zeitung gebeugt.Barbara Fischer erinnert sich: «Eine Klientin wurde auf der Demenzstation eines Altersheimes aufgenommen. Anfänglich wurde sie noch am Arm geführt; zusätzlich verwendete sie einen Langstock.» Innerhalb mehrerer Wochen wurden ihre Strecken immer kürzer, sie brauchte immer mehr Pausen, klagte über Schmerzen und Zittern in den Beinen. Schliesslich wurde sie mehrheitlich im Rollstuhl geschoben. Lag eine motorische demenzielle Entwicklung vor, die den Gleichgewichtssinn beeinträchtigte? Wie konnte die Lebensqualität der Klientin gefördert und der Pflegealltag erleichtert werden?

Eine andere Klientin von Barbara Fischer war stark seh- und hörbeeinträchtigt. Die Rehabilitationsfachfrau wurde von einer Aktivierungstherapeutin kontaktiert, weil sich die ältere Dame in ihrem Zimmer nicht mehr zurechtfand. Die selbstständige Fortbewegung, vor allem mit Rollator, war der Klientin sehr wichtig. Doch sie brauchte ein Hilfsmittel, das auch Orientierung gab – durch Kontakt zu Wänden und Türen. Der Rollator wurde neu eingestellt – mit optimaler Stützfunktion bei möglichst aufrechtem Gehen, um den Aufmerksamkeitsbereich vom Boden auf den Mittel- und Fernbereich zu verschieben – und mit einem Schutzrahmen als Stossdämpfer, der auch eine Türe rammen durfte. Ohne etwas kaputt zu machen konnte die Klientin nun die einzelnen Örtlichkeiten und Einrichtungsgegenstände direkt anfahren und sich so einen geistigen Zimmerplan erarbeiten.

Lange stand die Türe ihres Zimmers immer offen, doch die alte Frau nahm keinen visuellen oder akustischen Unterschied zwischen Zimmer und Flur wahr. So wurde die Türe geschlossen gehalten
und möglichst gemeinsam mit der Klientin jeweils geöffnet und der Bewegungsablauf vom Bett zur Türe wurde im Alltag geübt. Die Raumtrennung Zimmer – Flur war nun für sie wahrnehmbar
und erleichterte ihre Orientierung, nach drei Wochen und wenigen Schulungseinheiten konnte sie selbstständig die Toilette aufsuchen, sich frei im Zimmer bewegen und zum Stationszimmer gehen», berichtet Barbara Fischer.

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Was meint «Demenz»?

Demenz ist ein Überbegriff zu verschiedenen Erkrankungen. Man spricht von 52 verschiedenen Formen, am häufigsten kommt Alzheimer vor. Daneben gibt es vaskuläre Demenzen, die häufig auf
Durchblutungsstörungen zurückzuführen sind, oder solche, die sich in Folge von Schlaganfällen entwickeln, ebenso wie Mischformen. Man kennt auch seltene Demenzformen mit unterschiedlichen Verhaltensauffälligkeiten. Leitsymptom bei allen Formen ist die Vergesslichkeit. Die genaue Ursache einer Alzheimererkrankung ist hingegen noch unklar. In diesem Bereich wird viel geforscht, vor allem hinsichtlich der Vorbeugungsmöglichkeiten. Man weiss, dass der Lebensstil einen Einfluss hat – Bewegung, ausgewogenes Essen, Verzicht auf Rauchen, soziale Einbindung wirken vorbeugend, während eine Depression demenzfördernd ist. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle, das zeigen biochemische Marker. Doch das genaue Zusammenspiel von genetischen und lebensstilbedingten Faktoren ist nicht bekannt, zusätzliche Ursachen können nicht ausgeschlossen werden.

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Die Beispiele zeigen, welche Fragen sich stellen, wenn Bewohnerinnen und Bewohner in Alterseinrichtungen in ihren Fähigkeiten nachlassen. Liegt eine Demenzerkrankung vor? Verstärkt sich die Sinnesbeeinträchtigung? Oder gibt es eine Kombination von beidem? Immer wieder kommt es zu Verwechslungen der beiden Krankheitsbilder. Symptome wie Desorientierung im Raum, das
Nicht-Erkennen von Personen, die Nicht-Reaktion auf eine Frage oder eine Aufforderung gibt es sowohl bei der Demenz wie auch bei der Hörsehbeeinträchtigung. Und sie können schon lange vor dem Eintritt in eine Alterseinrichtung auftauchen.

Abklärung in Memory-Kliniken
Wie kann eine gute Demenzabklärung aussehen?Dr. Stefanie Becker, Geschäftsführerin der Schweizerischen Alzheimervereinigung, sagt: «Für den Zeitpunkt der Abklärung spielt es eine Rolle, ob die betroffene Person von sich aus einen Arzt aufsucht oder ob es erst Diskussionen und Aufforderungen durch Angehörige gibt.» Eine professionelle Demenzabklärung findet in den Memory-Kliniken statt: Ein multi-professionelles Team untersucht die Person sehr differenziert. Es gibt zwar in der Schweiz regionale Unterschiede bei der Demenzabklärung, aber die Abklärung funktioniert gut, unabhängig vom Verfahren. Allerdings gibt es schweizweit nur 36 Memory-Kliniken oder ähnliche Institutionen, mit Kapazitäten für rund 2500 Abklärungen pro Jahr. Dem gegenüber steht die zehnfach höhere Zahl von Neuerkrankungen – 25 000 pro Jahr! «Dies bedeutet, dass in vielen Fällen keine optimale Abklärung stattfindet», beanstandet Stefanie Becker. Es ist auch eine politische Frage: Jeder Mensch, der Symptome hat, muss die Möglichkeit zu einer frühzeitigen Diagnose haben – auch wenn er sie vielleicht nicht in Anspruch nimmt.

Dr. Stefanie Becker sagt: «Für den Zeitpunkt der Abklärung spielt es eine Rolle, ob die betroffene Person von sich aus einen Arzt aufsucht oder ob es erst Diskussionen und Aufforderungen durch Angehörige gibt.» Eine professionelle Demenzabklärung findet in den Memory-Kliniken statt: Ein multi-professionelles Team untersucht die Person sehr differenziert. Es gibt zwar in der Schweiz regionale Unterschiede bei der Demenzabklärung, aber die Abklärung funktioniert gut, unabhängig vom Verfahren. Allerdings gibt es schweizweit nur 36 Memory-Kliniken oder ähnliche Institutionen, mit Kapazitäten für rund 2500 Abklärungen pro Jahr. Dem gegenüber steht die zehnfach höhere Zahl von Neuerkrankungen – 25 000 pro Jahr! «Dies bedeutet, dass in vielen Fällen keine optimale Abklärung stattfindet», beanstandet Stefanie Becker. Es ist auch eine politische Frage: Jeder Mensch, der Symptome hat, muss die Möglichkeit zu einer frühzeitigen Diagnose haben – auch wenn er sie vielleicht nicht in Anspruch nimmt.

In der Arbeit Demenz berücksichtigen
Der Umgang mit Demenz ist schwierig, in erster Linie für die betroffene Person selbst. «Demenz ist immer noch ein Tabuthema, es ist das, was im Alter am meisten gefürchtet wird», weiss Stefanie Becker. Entweder führe diese Angst zu proaktivem Handeln – und einer frühzeitigen Abklärung – oder zu Verdrängung. Doch werden die Symptome zu lange ignoriert, hat dies Folgen für das autonome Leben. Für die Fachpersonen ist der Umgang mit Demenz eine Herausforderung, auch im Sehbehindertenwesen. «Ich habe gelernt, dass man bei Demenzerkrankungen nicht verallgemeinern kann. Jede Patientin, jeder Patient hat andere Bedürfnisse und Wünsche, Fähigkeiten und persönliche Einschränkungen », berichtet Barbara Fischer. Und: «Alle Ziele müssen eine klare Verbesserung für die betroffene Person und ihr Umfeld darstellen. Arbeit mit demenzkranken Menschen ist Teamarbeit!»