Hörend, sehen, fühlend kommunizieren.
Hörsehbehinderte Menschen bedienen sich vielfältiger Kommunikationsformen.
Von Nina Hug
Die Kommunikationsformen hörsehbehinderter Menschen sind sehr vielfältig. Sie hängen nicht nur vom Hör- und Sehpotential der betroffenen Person und den Möglichkeiten des Gesprächspartners ab, sondern auch von den akustischen und visuellen Gegebenheiten vor Ort. Deshalb beherrscht eine hörsehbehinderte oder taubblinde Person in der Regel mehrere Kommunikationsformen und -techniken. Sie werden den Umständen entsprechend eingesetzt, manchmal auch parallel. Grundsätzlich lassen sich auditive, visuelle und taktile Kommunikationsformen unterscheiden.
Auditive Kommunikationsformen
Die meisten hörsehbehinderten Menschen haben ein Hörpotential. Wird dieses durch eine moderne Hörhilfe unterstützt, und passt der Gesprächspartner das Verhalten der Situation an, ist ein Gespräch über die Lautsprache durchaus möglich. Da für Hörgerätetragende Hintergrundgeräusche sehr störend sind, sollte ein ruhiger Ort gewählt werden. Ausserdem sollte deutlich, aber nicht zu laut gesprochen werden.
Viele gehörlose Menschen sind sehr geübt im Lippen-lesen. Aber auch schwerhörige Menschen benutzen das Ablesen, um das Gehörte zu ergänzen. Der gesamte Gesichtsausdruck trägt zudem zur Informationsaufnahme bei. Es müssen allerdings einige Regeln befolgt werden: Erst wenn die betroffene Person den Mund der sprechenden Person mit den Augen fixiert hat, kann gesprochen werden. Ausserdem sollte man darauf achten, nicht gleichzeitig zu sprechen und auf etwas zu zeigen. Auch wenn alle Regeln befolgt werden, sollte bedacht werden, dass nur etwa 30% des Gesagten über das Ablesen genau verstanden werden. Der Rest muss über Kombinationen erraten werden.
Es kann vorkommen, dass ein hörsehbehinderter Gesprächspartner ein Wort nicht versteht. In diesem Fall kann ihm das Wort in der Lautsprache buchstabiert werden. Das Buchstabieralphabet listet zu jedem Buchstaben ein entsprechendes Wort auf, das für schwerhörige Menschen in der Regel gut verständlich ist.
Visuelle Kommunikationsformen
Ist das Hörpotential gering oder ist die betroffene Person taub, hat aber noch ein Sehpotential, kommt in den meisten Fällen die Gebärdensprache zum Einsatz.
Die Gebärdensprache ist eine eigenständige, vollwertige Sprache mit eigener Grammatik und Syntax. Mit den Händen, der Mimik, dem Mundbild und dem Oberkörper wird die Gebärdensprache visuell im Gebärdenraum dargestellt und über die Augen wahrgenommen.
Bei der Visual Frame Gebärdensprache wird ein kleinerer Gebärdenraum rund um das Gesicht benutzt. Diese Form der Gebärdensprache wird eingesetzt, wenn die betroffene Person ein eingeschränktes Gesichtsfeld hat.
Das Finger-Alphabet wird von gehörlosen Menschen als Unterstützung der Gebärdensprache (Namen, neue Begriffe, Ortschaften usw.) verwendet. Beim Fingeralphabet wird jeder Buchstabe mit den Fingern einer Hand dargestellt.
Falls die Sehkraft der betroffenen Person es zulässt, können Informationen deutlich und in Blockschrift auf Papier aufgeschrieben werden. Eine weitere Möglichkeit stellt das Schreiben auf einem Computer / Tablet oder Smartphone dar. Die betroffene Person liest vom Bildschirm ab, der auf die individuelle Zeichengrösse und Farbe eingestellt ist.
Bilder, Fotos. Piktogramme und Symbole helfen bei der Kommunikation manchmal mehr als lange Beschreibungen.
Taktile Kommunikationsformen
Bei der taktilen Gebärdensprache legt eine Person ihre Hände auf die Hände der anderen gebärdenden Person. Die visuellen Elemente, wie z.B. Mimik und Mundbild, die nicht mehr über die Augen erkennbar sind, werden zusätzlich mit den Händen gebärdet. Beim Tracking hält die betroffene Person den Unterarm der gebärdenden Person. So kann sie die Bewegung der Gebärden besser erkennen.
Beim taktilen Fingeralphabet kann jeder Buchstabe an der Hand- und Fingerstellung erkannt werden. Die «sprechende» Person markiert den Buchstaben mit einer Hand. Stark sehbehinderte oder blinde Menschen legen ihre Hand über die Hand der «sprechenden» Person und ertasten so die Stellung der Finger bzw. die Buchstaben.
«Haptisch» ist vom griechischen Wort haptos/haptikos abgeleitet, was fühlbar/greifbar bedeutet. Die haptische Kommunikation ist ein System von klar definierten Berührungszeichen, welche die sprechende Person mit ihrer Hand auf den ebenfalls definierten neutralen Körperzonen der «zuhörenden» Person ausführt. Mit haptischen Zeichen lassen sich alltägliche und allgemeine Informationen, Verbindungen zu Menschen, Stimmungen und Gefühle vermitteln.
PORTA ist die Deutschschweizer Sammlung von derzeit 100 Gebärden (Stand: Februar 2018, weitere Gebärden sind derzeit in Bearbeitung), die den Möglichkeiten und Bedürfnissen von Menschen mit geistiger und mehrfacher (Sinnes-)Behinderung entsprechen. PORTA ist gleichermassen anschlussfähig an die Lautsprache und die Deutschschweizerische Gebärdensprache DSGS.
Lormen ist ein Handalphabet. Die Buchstaben werden durch Berührungspunkte und Striche in der Handfläche dargestellt. Üblicherweise wird in die linke Hand der taubblinden Person geschrieben.
Mit Menschen, welche die Schriftzeichen des Alphabets kennen, kann «taktil geschrieben» werden. Die «sprechende» Person schreibt mit dem Zeigefinger gewöhnliche, grosse Druckbuchstaben (oder Zahlen) Buchstabe für Buchstabe in die Handfläche des taubblinden Menschen. Es kann auch mit dem Finger der taubblinden Person auf eine Unterlage geschrieben werden.
Die Buchstaben des Braille-Alphabets werden mit Hilfe von sechs Punkten dargestellt. Mit Braille kann man alle Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen schreiben. Für die Anwendung am Computer wurde die Braille-Schrift mit acht Punkten (Computer-Braille) entwickelt. Damit können Grossbuchstaben, weitere Zeichen und Sonderzeichen dargestellt werden.
Die Punkte werden entweder auf Papier gestanzt oder mittels kleinen beweglichen Stiften auf einer sogenannten Braille-Zeile für elektronische Geräte angezeigt. Diese Punkt-Kombinationen können mit den Fingerspitzen ertastet und so gelesen werden. Die Braille-Zeilen können auch in der direkten Kommunikation eingesetzt werden: jemand tippt auf eine normale Tastatur, was gesagt wird und die sehbehinderte Person liest es auf der Braille-Zeile.