Editorial 1/2023
Soziale Kompetenzen pflegen wir tagtäglich im Umgang mit unseren Mitmenschen. Im Austausch mit Menschen mit Sehbeeinträchtigung sind für ein reibungsloses Miteinander zusätzliche Sozialkompetenzen nötig. Das gilt sowohl für die blinde oder sehbehinderte Person wie auch für die sehende Person.
Wir haben für dieses Heft den Schwerpunkt «soziale Kompetenzen» gewählt. Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung müssen sich im Umgang mit der sehenden Welt gewisse soziale Kompetenzen aneignen. Sie lernen zum Beispiel, dass Menschen, die sehen, sich bei einem Gespräch in die Augen schauen. Auch Sehende müssen sich spezifische Sozialkompetenzen im Umgang mit Menschen mit Sehbehinderung aneignen. Rede ich genug beschreibend? Sage ich, was ich gerade mache und was um uns herum in diesem Moment passiert?
Um diesem wichtigen Thema auf den Grund zu gehen, haben wir bei Dr. Elke Wagner nachgefragt. Sie ist Sozialpädagogin, selber von einer Sehbehinderung betroffen und gibt Workshops zum Thema Sozialkompetenz im Kontext einer Sehbehinderung. Lesen Sie das Interview mit ihr auf Seite 6.
Wer meint, das äussere Erscheinungsbild interessiere nur Menschen, die sich im Spiegel auch sehen können, hat weit gefehlt. Tina Sohrab ist blind und gibt auf Youtube anderen blinden Frauen Tipps zum Schminken. Wie sie dazu gekommen ist, hat Michel Bossart nachgeforscht.
Im Alltag sollten auch wir Sehenden an unseren sozialen Kompetenzen im Umgang mit Menschen mit Sehbehinderung arbeiten: zum Beispiel keine Gegenstände (wie Fahrräder oder e-Scooter) auf dem Trottoir oder entlang von Hauswänden parkieren. Oder uns bewusst machen, dass wir die Geschehnisse um uns herum beschreiben könnten, damit sie erfahrbar werden. Diese und weitere Kompetenzen fasst der Artikel «Ein Hallo reicht nicht aus» zusammen.
Sehbeeinträchtigte sind in der Regel nicht nachtragender als Sehende und verzeihen letzteren normalerweise ihre Fauxpas bezüglich ihrer sozialen Kompetenzen. Oft passieren diese ja nicht absichtlich, sondern aus Unwissenheit heraus. Wie so oft hilft nur eines: sich informieren und offen miteinander kommunizieren.
Ich wünsche Ihnen eine anregende und erkenntnisreiche Lektüre.
Nina Hug, Redaktion tactuel Deutschschweiz