Blindenfussball
Schuss aus dem Dunkeln direkt aufs Tor
Blindenfussball ist schnell und hat auch für die Zuschauer einen hohen Unterhaltungswert. In der Schweiz ist der FC Basel 1893 der erste Super League Club mit einer eigenen Blindenfussballmannschaft. Trainiert werden die Spieler von Roman Peter Wipfli, der sich über jedes schöne Goal seiner Spieler freut
Von Michel Bossart
Wer einem Spiel zwischen zwei professionellen Blindenfussballmannschaften zuschaut, merkt auf den ersten Blick gar nicht, dass es sich hier um eine Paralympics-Sportart handelt. Obschon die Augen der Spieler abgeklebt und zusätzlich mit einer Dunkelbrille abgedeckt sind, bewegen sie sich auf dem Feld behände und flink und kaum anders als ihre sehenden Kollegen.
Das Spiel funktioniert so: Auf einem 20×40 Meter grossen Spielfeld, das entspricht der Grösse eines Handballfelds, stehen sich je vier Spieler einer Mannschaft gegenüber. Ein sehender Torhüter, ein Trainer hinter der Seitenbande und ein Guide hinter dem gegnerischen Tor vervollständigen das Team. Die beiden letzteren leihen den Spielern ihre Augen und rufen ihnen konkrete Anweisungen zu.
Gespielt wird mit einem Klingelball: Kommt dieser in die Nähe von drei Meter eines anderen Spielers, muss dieser laut «voi» rufen. Das stammt aus dem Spanischen und heisst «ich komme». Der Ballbesitzer weiss nun, wo genau seine Gegner stehen und versucht, den Ball an ihm vorbei zu dribbeln.
Roman Peter Wipfli arbeitet als sehbehindertenspezifischer Wohnbegleiter im Zentrum Erlenhof in Reinach und trainiert nebenbei seit über 30 Jahren Junioren und Juniorinnen Fussballmannschaften beim BSC Old Boys.
Seit einem Jahr arbeitet er nun am Aufbau einer Blindenfussballmannschaft des FC Basel 1893 und trainiert bereits zweimal wöchentlich mit Spielern und Spielerinnen. Bislang mussten alle Blindenfussballspieler fürs Training ins Nationale Sportzentrum Magglingen. Es war denn auch in Magglingen, wo Wipfli von einem Spieler ganz konkret darum gebeten wurde, in Basel eine Mannschaft aufzubauen. «Wenn schon, dann richtig», sagte sich Wipfli und wurde beim FC Basel vorstellig. Der Vorstand des Super-League-Vereins, der bereits Spielern mit «besonderen Herausforderungen » ermöglicht, in mehreren sogenannten Dreamteams des FC Basels Fussball zu spielen, war von der Idee angetan und bat Wipfli, das Training aufzunehmen. «Das ist wichtig», sagt dieser, «denn fussballbegeisterte Menschen mit Sehbeeinträchtigung wollen nicht einfach Blindensport machen; ihnen bedeutet die Clubzugehörigkeit sehr viel.»
Kaum eine Szene in der Schweiz
In der Schweiz gibt es nun zwei Blindenfussballteams: Jenes in Magglingen von PlusSport, in dem vor allem Spieler aus der französischen Schweiz trainieren und dasjenige des FC Basel. «Im Vergleich zum Ausland, steckt der Blindenfussball hierzulande noch in den Kinderschuhen», bedauert Wipfli. Ganz anders in Deutschland oder Frankreich. In der deutschen Blindenfussball Bundesliga zum Beispiel spielen neun Teams, sogar das Team aus Wien ist Teil der Bundesliga. «Auch wir pflegen einen regen Austausch zum Beispiel mit dem FC Ingolstadt und dem MTV Stuttgart und trainieren manchmal gemeinsam. Und wenn Not am Mann ist, helfen wir den deutschen Kollegen mit einem unserer Spieler aus», sagt Wipfli und hofft, dass das Engagement des FC Basels andere Super League Clubs dazu inspiriert, ebenfalls eigene Blindenfussballteams zu gründen.
Das A und O: Ballsicherheit
Wenn Blindenfussballer aufs Spielfeld einlaufen, werden sie vom Goalie angeführt und halten sich an den Schultern des Vordermannes. Während des Spiels ist die besondere Herausforderung, sich auf das gegnerische Tor zuzubewegen und dabei den «voi» der Gegner und den Anweisungen des Trainers und des Guides hinter dem gegnerischen Tor gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei gilt es die Orientierung und das Gleichgewicht nicht zu verlieren und den Ball im eigenen Besitz zu behalten. «Die Ballführung wird hart trainiert», sagt Wipfli. Sie müsse zu einem Automatismus werden, fügt er an, denn sich gleichzeitig auf die Zurufe und die Ballkontrolle zu konzentrieren, das sei sehr schwierig. Wie beim Fussball üblich spielen auch hier die Emotionen eine grosse Rolle. «Ein schönes Goal zu schiessen und jubelnde Fans auf den Rängen, das ist das Ziel aller Fussballspieler, ob sie nun sehend sind oder nicht», schliesst Wipfli.
Auch die Fans kommen auf ihre Kosten
Fussball ist bekanntlich die schönste Nebensache der Welt: vor allem für die Fans. Doch ein Besuch im Stadion kommt für Menschen mit Sehbeeinträchtigung oft nicht in Frage. Beim Verein Blind Power betreiben blinde, sehbehinderte und sehende Menschen eine Onlineplattform für Audiodeskription. Seit 2016 beschreibt Radio Blind Power ausgewählte Spiele der Super League (www.blindpower. ch). Seit drei Jahren überträgt Radio Rotblau alle Spiele des FC Basel 1893 (Männer und Frauen) sowie Spiele der Schweizer Nationalmannschaft, sofern sie im St. Jakob- Park stattfinden