Aus dem SZBLIND 3/2024
Strategie trotz Zustimmung in vielen Punkten noch nicht verabschiedet
An der Delegiertenversammlung (DV) vom Samstag 22.6. in Bern wurden zwei neue Vorstandsmitglieder des SZBLIND gewählt: Francoise Gay-Truffer (FRSA) und Rosa Piller (Les Buissonnets) ergänzen den Vorstand. Für die an der DV zur Abstimmung stehende Strategie hat der Vorstand in fast allen Punkten Zuspruch von den Delegierten bekommen. Ein Änderungsantrag des Schweizerischen Blinden und Sehbehindertenverbands SBV zur Interessenvertretung wurde mit knapper Mehrheit angenommen. Der Vorstand entschied deshalb, die Strategie der Versammlung nicht zur Schlussabstimmung zu unterbreiten. Die Präsidenten des SZBLIND und des SBV haben signalisiert zeitnah einen Konsens zur Interessenvertretung finden zu wollen.
Von Nina Hug
An der Delegiertenversammlung vom 22. Juni wurde über die Strategie 2030 des Dachverbands abgestimmt. Der der Versammlung vorliegende Strategie-Entwurf beinhaltete die Anregungen der Mitgliedorganisationen, die im Herbst 2023 über eine breite Vernehmlassung konsultiert worden waren. Bis 10 Tage vor der DV ermöglichte der Vorstand den Delegierten zudem, nochmals Änderungsanträge an diese Strategie einzureichen. Vier solche Anträge wurden eingereicht. Diese betrafen
− die Definition des Begriffs der Dachorganisation (Antrag des SBV)
− die in Aussicht gestellte Teilautonomisierung des Bereichs Hörsehbehinderung und Taubblindheit (Antrag von Retina Suisse)
− die Organisation der Interessenvertretung (Antrag des SBV)
− die Finanzierung des SZBLIND (Antrag des SBV)
An der Delegiertenversammlung wurde nun Punkt für Punkt die Strategie vorgelesen. Abgestimmt wurde im Verlauf der Sitzung nur über die eingereichten Änderungsvorschläge. Dies mit dem Ziel, am Schluss der Diskussionen über die Strategie als Ganzes abzustimmen.
Position des Vorstands und Abstimmung
Der Vorstand hatte an seiner Sitzung am Tag vor der Delegiertenversammlung die Änderungsanträge betreffend Definition des Begriffs der Dachorganisation und betreffend der Teilautonomisierung des Bereichs Hörsehbehinderung und Taubblindheit gutgeheissen. Auch die Delegierten folgten diesen Anträgen in der Abstimmung am Samstag.
Der Vorstand hat sich gegenüber den Anträgen «Organisation der Interessenvertretung» und «Finanzierung des SZBLIND» ablehnend geäussert. Für die strategischen Ziele «Interessenvertretung» und «Rechtspersönlichkeit und Finanzierung» stand also der Textvorschlag des Vorstands demjenigen Textvorschlag des Änderungsantrags jeweils zur Abstimmung gegenüber. Der Änderungsantrag betreffend Finanzierung wurde von den Delegierten abgelehnt.
Den Änderungsantrag betreffend Interessenvertretung des SBV haben die Delegierten hingegen angenommen. Dies mit 27 Stimmen für den Änderungsantrag bei 4 Entahltungen. 25 Stimmen entfielen auf den Textvorschlag des Vorstands. Der Änderungsantrag des SBV schlug vor, dass die Interessenvertretung für Menschen mit Sehbehinderung ausschliesslich durch die Selbsthilfe realisiert werden darf.
Uneinigkeit über die Interessenvertretung
Der Vorstand des SZBLIND hat immer betont, dass er die Strategie-Vorlage zurückziehen wird, wenn er der Meinung ist, dass die von der Delegiertenversammlung angenommenen Änderungsanträge die vom Vorstand vorgeschlagene Strategie erheblich verändern oder das Funktionieren des SZBLIND gefährden.
Der Vorstand des SZBLIND ist der Ansicht, dass die Uneinigkeit in der Interessenvertretung eine wesentliche Differenz darstellt, die in Frage stellt, dass der SZBLIND, als Dachorganisation der gesamten Branche agieren kann. Der SZBLIND ist die Dachorganisation für die Fach- und die Selbsthilfe. Eine Trennung der Interessenvertretung zwischen Selbst- und Fachhilfe entspricht nicht dem Verständnis und dem Anspruch des Vorstands des SZBLIND als Dachorganisation der gesamten Branche aufzutreten. Das knappe Ergebnis der Abstimmung zeigt auf, dass man hier mit einigen Selbsthilfeorganisationen uneins ist. Jedoch gibt es auch viel Zuspruch dafür, dass der SZBLIND seine koordinierende Rolle in der Interessenvertretung weiterhin ausüben soll.
Der Vorstand des SZBLIND hat aus den oben genannten Gründen die Strategie 2030 nicht zur Abstimmung gestellt. Thomas Dietziker Präsident des SZBLIND hat während der Versammlung ausdrücklich betont, dass der Vorstand mit diesem Entscheid Verantwortung übernimmt. «Mit dem Rückzug der Strategievorlage stellen wir nicht das demokratische Vorgehen der Abstimmung über die Strategie in Frage, sondern bekennen uns dazu, dass Entscheide, die die Arbeitsweise der Organisation fundamental in Frage stellen, in ihren Konsequenzen wohl überlegt sein wollen. Dafür braucht es Zeit. Diese werden wir uns in den kommenden Monaten nehmen, um das weitere Vorgehen zu bestimmen».
Der SZBLIND und der SBV haben bereits an der Versammlung in Aussicht gestellt, dass man über die unterschiedlichen Auffassungen reden werde und gewillt ist, eine Lösung zu finden. Noch in 2024 soll nun ein Konsens gefunden werden, über den wir Sie beizeiten informieren. Somit erhält die Strategie eine zweite Chance, breit abgestützt von allen Organisationen angenommen zu werden. Schliesslich erhielt der Vorstand Zuspruch für alle weiteren Punkte der Strategie und seine Vision für die Zukunft des Sehbehindertenwesens.
Wahlen
Nach der Diskussion der Strategie standen weitere wichtige Tagesordnungspunkte an:
− Die Abnahme von Jahresbericht und Jahresrechnung sowie die Entlastung des Vorstands
− Die Wahl von zwei neuen Vertreterinnen in den Vorstand
− Die Aufnahme von zwei neuen Mitgliedorganisationen
Nachdem der Jahresbericht und die Jahresrechnung angenommen wurden, wurde der Vorstand einstimmig entlastet.
Mit den Nachwahlen zum Vorstand wurde beabsichtigt, dass Selbst- und Fachhilfe in ausgeglichener Weise im Vorstand repräsentiert sind und ausserdem alle drei grossen Landessprachen im Vorstand vertreten sind. So traten zwei Vertreterinnen aus der Westschweiz zur Wahl an: Rosa Piller, Generalsekretärin und Leiterin der allgemeinen Dienste der Stiftung les Buissonnets und Francoise Gay-Truffer, Leiterin der Einrichtung Les Marmettes FRSA Fondation Romande SourdAveugles. Beide wurden mit grosser Mehrheit gewählt. Zudem wurde der Verein Plein Access von den Delegierten als ordentliches Mitglied in den SZBLIND aufgenommen, die Stiftung Erlenhof als assoziiertes Mitglied.