Schwerpunkt: Rot sind die Tomaten?!
Probleme Farbtöne zu unterscheiden
Von Arnd Graf-Beilfuss
Angeborene Farbsinnstörungen
Manchmal bemerken Eltern, dass ihr Kind ‚trotz seines Alters‘ immer noch Mühe hat, bestimmte Farbtöne auseinanderzuhalten. Wenn später im Kindergarten oder in der Schule die beliebten Ausmalübungen auch nach ‚intensivem‘ Üben konstant eine farblich ‚individuellere Note‘ aufweisen, werden die Lehrpersonen allenfalls aufmerksam. Dann kann eine Farbsinnprüfung z.B. mit einem Test nach Ishihara Klarheit schaffen. Angeborene Farbsinnstörungen führen zu einer grösseren Verwechslungstendenz mehrheitlich im Rot-Grün Bereich. Solche Farbfehlsichtigkeiten kommen bei Männern ca. 10x häufiger vor als bei Frauen. Wird eine Farbfehlsichtigkeit festgestellt, bedeutet dies, dass zwar alle drei Typen der Zapfen für die Farbwahrnehmung in der Netzhaut vorhanden sind, diese aber z.B. bei Mischfarben‚ Trennschwierigkeiten aufweisen. Da solche Farbfehlsichtigkeiten durch einen Gendefekt verursacht werden, betrifft dieser Zustand immer beide Augen und bleibt während des ganzen Lebens unverändert.
Grössere Einschränkungen sind im täglichen Leben indes nicht zu erwarten, denn die Sehschärfe ist grundsätzlich nicht beeinträchtigt. Einzig bei der Berufswahl stehen nicht mehr alle Türen weit offen, denn z.B. bei Piloten, Busfahrern, oder Elektrikern wird eine uneingeschränkte Farbtüchtigkeit vorausgesetzt.
Eine Steigerung der Auswirkungen entsteht, wenn einer der drei Zapfentypen fehlt. Dann sind Farben, die im fehlenden Farbspektrum liegen, zwangsläufig nicht mehr erkennbar, sondern erscheinen ausschliesslich grau/dunkel.
Fehlt nicht nur einer der Zapfenarten, sondern alle drei Zapfentypen, ist eine vollständige Farbenblindheit die Folge. Ohne diese Zellen ist eine Farberkennung grundsätzlich nicht mehr möglich, es werden also nur Graustufen erkannt. (mehr dazu im ersten Artikel dieser Ausgabe).
Erworbene Farbsinnstörungen
Eine Farbfehlsichtigkeit kann auch erworben werden, also im Lauf des Lebens durch eine Netzhauterkrankung, einem grauen Star, oder einen Unfall entstehen.Farbsinnstörungen können aber auch durch eine Reihe von Medikamenten, resp. die Wirkstoffe, z.B. mancher Rheuma-, oder Diabetesmedikamente, aber auch einige Antibiotika oder Schmerzmittel verursacht werden. Im Gegensatz zu den angeborenen Farbsinnstörungen ist hier häufig nur ein Auge betroffen . Ebenso sind bei den erworbenen Farbsinnstörungen beide Geschlechter zu gleichen Teilen vertreten. Die Störung betrifft sehr häufig den Blau-Gelb Bereich. Werden durch eine Erkrankung jedoch der Sehnerv und die Sehbahn betroffen, verändert sich die Wahrnehmung im Rot-Grün Spektrum. Bei Netzhauterkrankungen ist sehr oft zusätzlich auch die Sehschärfe beeinträchtigt.
Wie wird der Farbensinn überhaupt geprüft?
Für die Farbsinnprüfungen kommen zwei unterschiedliche Testmethoden zur Anwendung. Bei jener, zu der auch der bereits eingangs erwähnte Ishihara-Test (oder Vergleichbare) gehört, sind Zahlen, Buchstaben, oder auch geometrische Figuren aus farbigen Punkten unterschiedlicher Grösse dargestellt. Diese sind eingebettet in einen Hintergrund aus Punkten identischer Grösse und Helligkeit, aber in den Verwechslungsfarben. Aufgrund der identischen Helligkeit weisen die beiden Farbflächen keinen Kontrast zueinander auf. Während farbtüchtige Personen keine Schwierigkeiten haben, die Zeichen aufgrund der Farbe korrekt zu benennen, ist dies für farbenfehlsichtige Personen nur noch bedingt oder nicht mehr möglich. Diese Variante dient insbesondere der Erfassung angeborener Farbsinnstörungen.
Bei der zweiten Prüfmethode gilt es für die Testperson, die Abstufungen farbiger Flächen entsprechend dem Farbton zu ordnen. Aus dem Grad der Abweichung von der korrekten Reihenfolge der rückseitig nummerierten Farbplättchen ist die jeweilige Farbsinnstörung klassifizierbar. Für diese Variante stellt der SZBLIND gleich zwei unterschiedliche Tests zur Verfügung, die auf dem Munsell‘schen Farbsystem basieren (Abb. einfügen). Bei beiden Tests sind die farbigen Flächen recht gross gehalten, damit sie auch für die Farbsinnprüfung sehbehinderter Personen geeignet sind (evtl. Abbildungen).
Ist eine Rehabilitation der Farbwahrnehmung durch Filterbrillen möglich?
Angeborene Farbsinnstörungen lassen sich derzeit medizinisch nicht behandeln. Daher wird bereits seit Jahrzenten versucht, die Farbwahrnehmung durch Filtergläser oder gefärbte Kontaktlinsen zu verbessern.
Derartige Filtergläser kommen allerdings nur für jene Farbsinnschwächen in Betracht, bei denen alle drei Zapfentypen vorhanden sind und vor allem die unzureichende Trennung der Farbeindrücke die Störung darstellt. Bei allen anderen Farbsinneinschränkungen (partielle bis vollständige Farbenblindheit) kann kein Filterglas die fehlenden Zapfenarten ersetzen oder simulieren.
Die angewendeten Filter beeinflussen die spektrale Zusammensetzung des Lichts, das auf die Netzhaut gelangt. Dadurch findet eine gezielte ‚Verschiebung‘ der Farbwahrnehmung statt. Das Ergebnis führt gegebenenfalls zu einer etwas besseren, ‚natürlicheren‘ Trennung des Rot-Grün Bereichs, verhindert auf der anderen Seite aber unter Umständen das Erkennen vormals funktionierender Farbbereiche.
Anbieter aus der Augenoptik und Optometrie weisen in der Regel darauf hin, dass die Verwendung solcher Filterbrillen oder Kontaktlinsen nicht zu jenem Zustand führt, der als farbsehtüchtig bezeichnet werden kann. Ob die neue Wahrnehmung als ‚natürlicher‘ bezeichnet werden kann, ist für eine farbfehlsichtige Person letztlich nicht überprüfbar, da sie den Vergleich zur ‚realen‘ Farbwirkung ja ohnehin nicht hat.