Was braucht das Sehbehindertenwesen der Zukunft?
Heute haben sehbehinderte und blinde Nutzer in bewundernswerter Effizienz die moderne Technik für sich revolutioniert und holen sich mit unterstützenden Apps ein Stück der Selbständigkeit zurück. Trotzdem ersetzen diese Entwicklungen noch keinen Blindenhund, geschweige denn die Interaktion mit den Mitmenschen.
Von Jennifer Fischer, Verein für Blindenhunde und Mobilitätshilfen. Liestal
Bei den Orientierungs- und Mobilitätshilfen ist das mobile Telefon eine wertvolle Unterstützung. Als Navigationsgerät für Fussgänger, für Zeitpläne und Verspätungen von Zügen und Bussen und als Wanderhilfe. Die blindengerechten Bedienungshilfen der Smartphones sind mitunter ein Grund für die geringere Nachfrage nach Blindenführhunden bei jungen Menschen in der Stadt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und einem guten sozialen Netzwerk bewegen sie sich viel selbständiger von Ort zu Ort als noch vor 20 Jahren. Trotzdem ersetzen diese Entwicklungen noch keinen Blindenführhund.
So schnell wie sich schwierige Verkehrssituationen auftun und Baustellen verändert werden, kann sich die technische Navigation nicht anpassen. Die Geräte sind auf einen bestimmten Weg festgelegt, während der Blindenführhund ausgebildet ist, die sicherste und einfachste Strecke zu finden. Doch die Hilfsmittel stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Eine virtuelle Karte mit Sprachausgabe gibt dem Führhundehalter Richtungsangaben für einen neuen Weg. Diese kann er entsprechend als Hörzeichen an den Führhund weitergeben, der wiederum dafür sorgt, dass sie gemeinsam sicher ans Ziel kommen.
Neue Entwicklungen sind dahingehend begrüßenswert, denn sie unterstützen die Unabhängigkeit von Menschen mit einer Sehbehinderung und letztendlich wiederum die Integration in die Gesellschaft. Doch keine Technik der Welt kann den Blindenführhund als Freund und Begleiter ersetzen. Wenn der Akku leer ist oder der Empfang schlecht und die Unsicherheit zunimmt, dann erinnert einen der vierbeinige Partner daran, dass man nicht alleine ist.
Die mühelose Verständigung eines eingespielten Gespannes, aber auch das losgelassene Spiel und die gemeinsame Ruhezeit nach getaner Arbeit gehören zum Alltag mit einem Blindenführhund. Den Herzschlag unter dem Fell fühlen und die nasse Nase an der Wange – das geht nur zwischen zwei Lebewesen. Ein Blindenführhund gibt viel mehr, als nur Erleichterung im Alltag: Er stärkt das Selbstvertrauen, verbessert die Gesundheit und unterstützt die soziale Interaktion mit Mitmenschen, spendet Trost in dunklen Momenten und teilt das Glück in schönen.