Es war einer dieser Hitzetage im Juni, als tactuel mit Simone Buser und René Jaun über Ferien und barrierefreies Reisen sprach. Beide sind jung und reisen fürs Leben gerne, am liebsten unkonventionell und auf eigene Faust. Keine Selbstverständlichkeit, zumal René vollständig blind ist, und Simone auf dem einen Auge noch 3 Prozent und auf dem anderen nichts mehr sieht.

Von Barbara Altherr Bärlocher

Simone Buser, René Jaun und der Führhund Leo im botanischen Garten in Honolulu.  Bild: Simone Buser

Simone Buser, René Jaun und der Führhund Leo im botanischen Garten in Honolulu.
Bild: Simone Buser

Der 33-jährige René und die 26-jährige Simone sind ein eingespieltes Team. Viereinhalb Jahre lang waren sie ein Paar und haben in dieser Zeit viele gemeinsame Reisen unternommen. „Es ist uns ein grosses Anliegen, dass wir uns auch weiterhin so gut verstehen“, meint René – und so stehen auch für dieses Jahr gemeinsame Ferien auf dem Plan. Vielleicht nach Kopenhagen? „Unsere Lieblingsdestination! Die erste gemeinsame Reise führte uns dorthin, seither sind wir in diese Stadt verliebt – wir waren bestimmt schon zehnmal dort“, schwärmt Simone. Warum gerade Kopenhagen ihre Lieblingsstadt ist, können beide nicht so recht erklären, „es ist eine gemütliche Stadt, die trotzdem kulturell sehr vielfältig ist – zudem können wir uns dort sehr gut bewegen“, erklärt René.

Wenn die beiden auf Reisen gehen, dann nicht an einen Ort, der sich gut für Blinde eignet, sondern an einen Ort, den sie einfach gerne sehen möchten. Unbewusst schwinge vielleicht schon mit, welche Länder sich gut und welche weniger gut eignen, „so haben wir uns entschieden, weniger westliche Länder gar nicht erst zu bereisen“, meint René. Doch grundsätzlich müsse man dies individuell beurteilen: Länder wie Spanien, Portugal oder Italien sollen eher schwieriger zu bereisen sein – was die beiden allerdings nicht bestätigen können. Simone: „In Italien war ich erstaunt, wie gut es mit dem Hund ging. Aber das Strassenüberqueren ist und bleibt eine Herausforderung. Man kann mit dem Stock dort stehen; den vorbeirasenden Autofahrern ist das egal, im Gegenteil, sie hupen dich sogar noch an!“

Zu ihren Lieblingsländern zählen die nordischen Länder – Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland. Auch in den USA waren sie bereits zweimal gemeinsam. Ein absolutes Ferienhighlight war für Simone der Tauchtrip auf Maui. Ohne die „Hilfe“ von Leo, Renés Blindenführhund, wäre es nicht zu einer spontanen Begegnung mit Mitarbeitern eines Tauchshops gekommen, die sogar Erfahrung im Tauchen mit Blinden hatten.

Wenn es auf Reisen Schwierigkeiten gab, dann meistens wegen Renés Blindenführhund. Nicht wegen Leo selbst, sondern wegen des Unverständnisses oder Unwissens des Restaurantpersonals, der Hotelliers oder dem Flughafenpersonal. Eine Reise mussten sie deswegen aber noch nie abbrechen. Beide wissen, was sie dürfen und beharren auch auf ihren Rechten: „Man entwickelt eine gewisse Kaltschnäuzigkeit“, meint Simone.

Vieles ist eine Frage der Organisation: Wer sich im Vorfeld informiert, die Reisebestimmungen für Führhunde studiert und diese entsprechend einhält, umgeht viele, jedoch nicht alle Probleme. Simone: „Generell verbringen wir immer sehr viel Zeit mit Recherchen.“ René: „Zuerst definieren wir das Reiseziel, schauen auf www.skyscanner.com, wer die Route am günstigsten fliegt und buchen den Flug.“ Bevorzugtes Reisemittel ist das Flugzeug: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt, und die Flughafenassistenz ist ein weiterer Pluspunkt. Danach kommt die Suche nach einem geeigneten Hotel – und hier suchen sie solche, die nahe beim Stadtzentrum liegen und gute Bewertungen aufweisen. Simone: „Zum Glücklichsein brauchen wir iPhones, Internet und öV-Pässe!“ Über Online-Reiseportale wie www.wikitravel.org bringen sie in Erfahrung, wie es öV-technisch aussieht, und über www.prepaid-data-sim-card.wikia.com klären sie ab, wer die günstigsten Handykarten für den Internetzugang anbietet. Für die Orientierung vor Ort setzen sie auf diverse Apps, z.B. Foursquare zeigt gute Restaurants oder Shops in der Nähe an. Andere Hilfsmittel, die nicht fehlen dürfen, sind ihre Blindenstöcke und Simones Monokular.

Auf dem Bild sieht man Simone Buser im Tauchanzug beim Betrachten eines See-sterns. Bild: Terry Miller

Bild: Terry Miller

Auf Herausforderungen stossen die beiden immer wieder – zu den grössten zählen aber klar die Transportmittel, bzw. der fehlende öV, insbesondere in den USA. „Dort ist man ein Nobody ohne eigenes Auto. Wir mussten jeweils auf Shuttlebusse oder Taxis setzen, was wiederum ins Geld geht. Für Einheimische ist es einfacher; vielerorts kann man sich für den Service „Access Car“ registrieren, eine Art Taxiservice für Blinde. „Vielleicht hätten wir uns in solchen Situationen auf eine Gruppenreise einlassen oder einen Assistenten buchen müssen. Ich möchte aber nicht zu dritt, sondern zu zweit in die Ferien!“. Könnte sich Simone für die Zukunft etwas wünschen, wären es die selbstfahrenden Autos. René ergänzt: „Wir gehören sicherlich zu denen, die lieber unabhängig unterwegs sind und nicht gerne nachfragen.“ Der Aufwand lohne sich, schwärmt Simone: „Wenn wir am Morgen Victoria Kanada verlassen und am nächsten Tag im Hotel in Columbus Ohio eintreffen und die Reise per Schiff, Zug, Flugzeug und Bus selbstständig zurückgelegt haben, dann ist das ein einzigartiges Erfolgserlebnis!“