Hörbuch-Tipp


Gabrielle Zevin: Morgen, morgen und wieder morgen
Sam und Sadie lernen sich im Krankenhaus kennen. Sadies Schwester hat Krebs, Sams Fuss musste nach einem schweren Autounfall mehrfach operiert werden und wird ihn sein Leben lang behindern. Regelmässig spielen sie im Aufenthaltsraum zusammen «Super Mario», bis sie sich zerstreiten. Mitte der Neunzigerjahre treffen sich Sam und Sadie als Studenten Anfang zwanzig zufällig wieder, nehmen ihre Freundschaft wieder auf, und entschliessen sich dazu, in den Semesterferien ein Videospiel zusammen zu gestalten.
Die Lektüre ist leicht, ohne seicht zu sein. Sowohl Sam als auch Sadie sind komplexe Figuren mit Vergangenheit, ohne ins Plakative abzudriften. Der Roman greift viele Themen und Probleme der Gegenwart auf, obwohl die Handlung in den Neunzigerjahren spielt. Die Autorin schafft das mit geschickt eingewobenen Interviews sozusagen aus der Zukunft bzw. unserer Gegenwart, in denen Sam und Sadie auf die Zeit der Handlung zurückblicken. Durch die Rückblenden weiss man, dass es zwischen Sam und Sadie zu einem weiteren, weitaus endgültigeren Zerwürfnis gekommen ist. Dieses bahnt sich bereits nach dem grossen Erfolg ihres ersten Videospiels an. Kleine Unwahrheiten und Vertrauensbrüche, die erst im Nachhinein ans Licht kommen, führen zu Rissen in der tiefen Freundschaft. Irgendwie kriegen die beiden immer wieder die Kurve. Bis die Spielewelt politisch wird und die Entscheidung ihres Studios, gleichgeschlechtliche Ehen in einem Online- Rollenspiel möglich zu machen, zu einer Katastrophe in der echten Welt führt.
«Morgen, morgen und wieder morgen» ist eine erfrischend andere Beziehungsgeschichte, bei der es für einmal nicht um romantische Liebe zwischen zwei Hauptfiguren geht, sondern um die bisweilen innigere platonische Liebe zwischen Seelenverwandten, zwischen besten Freunden, zwischen Leidensgenossen des Lebens, deren Zerbrechen die Beteiligten weit verletzter und einsamer zurücklässt, als es ein Beziehungs-Aus jemals könnte.

Zevin, Gabrielle: Morgen, morgen und wieder morgen, Köln: Eichborn, 2023.
Ausleihe: DS 58131

Braille-Tipp


Kristina Pfister: Tage im warmen Licht
Maria ist 39, hat eine Teenagertochter, gerade ihren Job verloren und die Kündigung für ihre Wohnung in München bekommen. Kurzerhand zieht sie in das Haus ihrer Oma, das diese ihr nach ihrem Tod vor einem Jahr vererbt hat. Maria hat einen guten Grund, warum sie nie in das Dorf zurückkehren wollte, in dem sie ihre Kindheit und Jugend verlebt hat. Dieser Grund ist ein traumatisches Erlebnis, das sie bis anhin erfolgreich verdrängt hat. Doch mit den Kindheitsfreunden, dem Haus voller Erinnerungen und der liebenswerten Nachbarin Martha dringt das Erlebte zurück an die Oberfläche. Maria erkennt endlich, dass ein Nein – egal wie leise ausgesprochen – ein Nein ist. Ein Roman, der es schafft, eine ernste und wichtige Botschaft mit vielen Wohlfühlmomenten zu vereinen.

Pfister, Kristina: Tage im warmen Licht Frankfurt am Main: Fischer, 2023. 5 Bd. 569 S.
Ausleihe: BG 40538


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