Hörbuch-Tipp


Robert C. Sherriff: Zwei Wochen am Meer
Familie Stevens fährt jedes Jahr nach Bognor in die Pension «Seaview», die vom Ehepaar Huggett geleitet wird. Für alle Familienmitglieder ist der Sommerurlaub der Höhepunkt des Jahres, auch wenn Mrs Stevens zugeben muss, dass die Pension mittlerweile etwas sehr in die Jahre gekommen ist und seit dem Tod von Mr Huggett deutlich an Qualität eingebüsst hat. Doch inzwischen sind ihre Kinder Dick und Mary siebzehn und neunzehn, Ernie ist zehn. Der Gedanke daran, dass dies vielleicht die letzten Ferien mit der ganzen Familie sind, bevor die Kinder eigene Familien gründen, macht sie nur umso bittersüsser.
Die Stevensens sind eine Durchschnittsfamilie aus kleinbürgerlichem Milieu, in der es auch mal Ärger und laute Worte gibt. Doch im Grossen und Ganzen sind sie fröhliche Menschen, die sich sehr auf ihren Sommerurlaub freuen. Es sind aber oft gerade die kleinen Streitereien und allzu menschlichen Marotten, die sie dem Leser so sympathisch machen: Sie sind nicht perfekt, sie sind keine konstruierte Vorzeigefamilie, sondern wirken überaus echt und normal. «Das habe ich auch schon erlebt! », denkt man bei der Lektüre oft. Eine grosse Handlung hat der rund 350-seitige Roman nicht, und dennoch ist immer etwas los. Nebst dem Sommerurlaub hat jedes Familienmitglied mit ganz persönlichen Sorgen und Nöten zu kämpfen. Das Buch, das 1931 erstmals erschien, spiegelt das damalige Weltbild und die damals gängigen Rollenbilder wieder. Daran muss man sich bei der Lektüre ab und zu erinnern. Doch der unverstellte Blick in die Vergangenheit, und dabei eben nicht auf grosse historische Ereignisse, sondern in den genau beschriebenen Alltag vor fast 100 Jahren, macht das mehr als wett.
Die perfekte Frühlings- und Sommerlektüre für alle, die für ein paar Stunden entschleunigen und in die «gute alte Zeit» eintauchen möchten. Sheriff hat einen hervorragenden Blick auf die kleinen Marotten seiner Figuren und beschreibt sie in derart herzlicher Offenheit, dass man darüber oft ins Schmunzeln kommt.

Sherriff, Robert C.: Zwei Wochen am Meer
Zürich: Unionsverlag, 2023.
Ausleihe: DS 58085

Braille-Tipp


Monika Helfer: Die Jungfrau
Monika und Gloria waren als Mädchen enge Freundinnen. Monika stammt aus ärmlichen Verhältnissen, Gloria bewohnt mit der Mutter eine Villa. Als Glorias 70. Geburtstag und ihr vermeintlicher Tod naht, bestellt sie Monika zu sich und bittet die Schriftstellerin, etwas über sie, die gescheiterte Schauspielerin, zu schreiben.
Monika ist die 75-jährige österreichische Schriftstellerin Monika Helfer. Gloria ist eine Mischung aus drei Frauen, wie Helfer in einem Interview preisgab. Der Rest ist eine Melange aus Tatsachen und einer grossen Menge Fiktion. Darunter die lebenslange Jungfernschaft, die Gloria der Freundin im Laufe der Gespräche gesteht, und die auf unterschiedliche Arten interpretiert werden kann. Mit sparsamen, poetisch treffenden Worten berichtet Helfer von den prägenden Stationen im Leben der beiden, von inniger Zuneigung, aber auch Neid und Abhängigkeit. Es mögen zwar nur 150 Seiten sein, doch diese hinterlassen einen tieferen Eindruck als so mancher dicke Wälzer.

Helfer, Monika: Die Jungfrau,
München: Hanser, 2023. 2 Bd. 169 S.
Ausleihe: BG 40392


Information
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