Editorial 1/2024
Liebe Leserin, lieber Leser!
Wenn zwei Sinne eines Menschen beeinträchtigt sind, ist das eine grosse Herausforderung. Diese Ausgabe widmen wir dem Thema «Hörsehbehinderung und Taubblindheit». Vor 100 Jahren wurden erstmals Dienstleistungen für Menschen mit dieser doppelten Sinnesbehinderung und ihre Angehörigen vom SZBLIND angeboten.
1880 wurde die Taubheit abgeschafft, wie die «London Times» ironisch titelte: In diesem Jahr fand in Mailand ein Kongress von Pädagogen hörbeeinträchtigter Kinder statt. Die Kongressteilnehmer hatten beschlossen, europaweit die Schulen für gehörlose Menschen zu schliessen, auf die Gebärdensprache zu verzichten und allen gehörlosen Schülerinnen und Schülern mit viel Qual das Sprechen zu lehren. Die Zeiten sind heute zum Glück vorbei, als Gehörlose am Rande der Gesellschaft lebten und in «Taubstummenanstalten » versorgt wurden. Ab den 1980er Jahren fand in Europa allmählich wieder ein Umdenken statt, und die Stellung der Gehörlosen verbesserte sich merklich.
Dieser kleine Abstecher zur Taubheit bringt mich auf den Schwerpunkt dieses Hefts: Taubblindheit. In unseren Archiven habe ich den ersten Hinweis auf Taubblindheit beim SZBLIND gefunden: 1924 wird im Jahresbericht erstmals die «Taubblindenfürsorge » erwähnt.
Zum 100-jährigen Jubiläum hat Muriel Blommaert – sie ist Leiterin der Fachstelle Hörsehbehinderung und Taubblindheit des SZBLIND– für uns die wichtigsten Eckpunkte der Dienstleistungen für Menschen mit Hörsehbehinderung oder Taubblindheit beim SZBLIND nachgezeichnet und erklärt, wie wichtig in diesem Bereich die Freiwilligenarbeit ist. Als Kommunikationsassistentin oder -assistent können Sie einer von Taubblindheit betroffenen Person helfen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Der nächste Ausbildungskurs beginnt im Herbst 2024 in der Westschweiz.
Wenn in der Schweiz von Taubblindheit die Rede ist, kommt früher oder später die «Tanne» ins Gespräch. Die Schweizerische Stiftung für Taubblinde bietet für hörsehbeinträchtige Kleinkinder, Schüler und Schülerinnen und Erwachsene ein breites Angebot an Dienstleistungen. Mirko Baur leitete während der letzten zehn Jahre die «Tanne ». Im Interview spricht er über die mannigfaltigen Herausforderungen, mit denen Menschen mit Hörsehbeeinträchtigung in der Schweiz konfrontiert sind. Als Präsident von Deafblind International wird er sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass taubblinde und hörsehbeeinträchtigte Menschen in der Schweiz zu ihrem Recht kommen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Nina Hug, Redaktion tactuel